Tag der deutschen Wirtschaft 2024: grüner Wandel schafft Wettbewerbsvorteil
Die wichtigste Wirtschaftsveranstaltung der Deutsch-Slowenischen Industrie- und Handelskammer – der Tag der deutschen Wirtschaft – fand dieses Jahr am 16. April in Zusammenarbeit mit der IEDC-Bled School of Management statt. Unter dem Thema "Kreislaufwirtschaft: Wo Innovation auf Nachhaltigkeit trifft" wurden die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ebenso diskutiert wie die zentrale Bedeutung von ESG-Faktoren bei der Transformation von Unternehmen.
In ihrer Begrüßungsrede bezeichnete Dagmar von Bohnstein, Präsidentin der Deutsch-Slowenischen Industrie- und Handelskammer (AHK Slowenien), die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland als herausfordernd auch für Slowenien, das einen großen Teil seiner Exporte nach Deutschland liefert. Die Deutsche Botschafterin Natalie Kauther betonte die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern und zeigte sich überzeugt, dass Slowenien und Deutschland die Herausforderungen gemeinsam lösen werden.
Melanie Vogelbach, Leiterin der Abteilung für Internationale Wirtschaftspolitik und Außenhandelsrecht bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), schätzt die aktuelle Stimmung in der deutschen Wirtschaft als recht düster ein. Die Lieferketten sind viel widerstandsfähiger als zur Zeit der Pandemie, aber der zunehmende Protektionismus und die geopolitischen Risiken bringen eine Menge Unsicherheit mit sich. Auch der grüne Wandel, die Digitalisierung und der Fachkräftemangel stellen große Herausforderungen dar.
Nachdem das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr um 0,3 % geschrumpft ist und die Regierung nur mit einem minimalen Wachstum rechnet, sind die Unternehmen wenig optimistisch. Entsprechend rechnet die DIHK mit einem weiteren Rückgang des BIP um 0,5 % im laufenden Jahr. Laut einer großangelegten Umfrage ist die wirtschaftliche Stimmung aufgrund vieler Risikofaktoren unter deutschen Unternehmen negativ.
Deutsche Unternehmen sorgen sich am meisten um die Energie- und Rohstoffpreise, zunehmend aber auch um die Wirtschaftspolitik, die mit den Geschäftsbedingungen und bürokratischen Anforderungen, einschließlich der Umweltberichterstattung, verbunden ist. Es gibt immer mehr bürokratische Anforderungen, die mit den Anforderungen des Green Deals zusammenhängen. "Sowohl aus Berlin als auch Brüssel kommen viele neue Anforderungen," fügte Frau Vogelbach hinzu.
Nach Ansicht von Medeja Lončar, Geschäftsführerin von Siemens in Slowenien, Kroatien und Serbien, steht Slowenien vor vergleichbaren Herausforderungen: "Das ist ein gemeinsames europäisches Problem, das gelöst werden muss."
Tibor Šimonka, Präsident der slowenischen Wirtschaftskammer, äußerte sich ebenfalls kritisch zur europäischen Regulierung: "Dies ist eine starke Bremse für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und sollte zurückgesetzt werden."
"Durch die großen technologischen Veränderungen stellen wir fest, dass Europa nicht so vorankommt, wie wir es uns alle wünschen", räumte Staatssekretär Matevž Frangež vom Ministerium für Wirtschaft, Tourismus und Sport der Republik Slowenien, ein. "Wir sind nicht mehr die größte Wirtschaftsmacht der Welt, dennoch bleiben wir der größte globale Markt," hob Frangež hervor. Zudem plädierte er dafür, chinesische und andere Konkurrenten nicht mit Restriktionen anzugehen, sondern mit Normen, die den Unternehmen Verpflichtungen, Belastungen und Hindernisse auferlegen.
Währenddessen warnte Vogelbach davor, dass die europäischen Märkte von denjenigen überschwemmt werden, die sich nicht an die Regeln halten, und ergänzte: "Wir erwarten daher, dass auch ausländische Unternehmen die aufgestellten Regeln einhalten werden." Schutzmechanismen allein seien jedoch keine Lösung und es müsse ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Offenheit geschaffen werden.
Die Wirtschaftsexperten wiesen u. a. darauf hin, dass Energie in Deutschland und Slowenien sehr teuer ist. In diesem Zusammenhang sind die Anforderungen an eine Kreislaufwirtschaft hoch, doch das Recycling allein verbraucht viel Energie, was zu mangelnder Wettbewerbsfähigkeit führt.
"Wir müssen einsehen, dass das bisherige Entwicklungsmodell Sloweniens nicht mehr funktioniert, weil es von billiger Energie abhängig ist", so Frangež, der fest davon überzeugt ist, dass es erforderlich sein wird, sich anzupassen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Um die Herausforderungen zu meistern, ist Zusammenarbeit unerlässlich.
Wie Dagmar von Bohnstein erklärte, bietet jede Krise auch Chancen. Die Kreislaufwirtschaft bietet u. a. den grünen Wandel als Wettbewerbsvorteil. Einige Unternehmen, wie z. B. Siemens, haben dies bereits erkannt und ergreifen die entstehenden Chancen. Deutschland sei bei den Klimatechnologien nicht nur in Europa, sondern auch weltweit ganz vorne mit dabei: "Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen mit Wettbewerbsvorteilen für die Herausforderungen unserer Zeit entwickeln und auf den Markt bringen."
Viele führende Unternehmen betrachten die Kreislaufwirtschaft als einen der wichtigsten Wettbewerbsvorteile des grünen Wandels. Auf der Veranstaltung stellten sie deswegen auch ihre „Best Practices“ vor.
Maria Christine Betz, Corporate Sustainability Officer, BSH Home Appliances Group, und Andrea Sterpellone, Direktor für Beratung und Business Development, Interzero Italien, präsentierten die Implementierung von nachhaltigen Praktiken im Unternehmen. Simon Franko, Geschäftsführer, BASF Adriatic, stellte die Initiativen der Gesellschaft BASF im Bereich der Kreislaufwirtschaft vor. David Premelč, Partner, Law Firm Rojs, Peljhan, Prelesnik & Partners, sprach über die neusten Entwicklungen im Zusammenhang mit der europäischen ESG-Richtlinie und deren Umsetzung in die slowenische Gesetzgebung.
Den Abschluss der Konferenz bildete eine Diskussionsrunde über die Rolle von ESG bei der Transformation von Unternehmen.
Lorenzo Ramajola, Geschäftsführer der UniCredit Bank Slowenien, und Filip Jakob Pogačnik, Fachberater bei Kearney, stimmten darin überein, dass ESG-Richtlinien eine Geschäftsmöglichkeit darstellen können, die es zu ergreifen gilt, um zu den Vorreitern auf dem Markt zu gehören. Das bedeutet aber nicht, dass die ESG-Umsetzung keine eigenen Risiken birgt, "allerdings gibt es auch dann Risiken, wenn wir sie nicht umsetzen und unser Geschäft oder unsere Gesellschaft verändern", erklärt Ramajola. "Als Berater müssen wir auch das Risikoniveau bewerten und das Unternehmen entsprechend beraten", ergänzte Pogačnik.
Njives Prelog Neffat, Rechtsanwältin und Partnerin, Anwaltskanzlei Neffat und Partner, wies darauf hin, dass "die Unternehmens-Compliance und neue Gesetzgebung gut für Unternehmen sind, wobei die ESG-Richtlinien nur eine Art von Compliance-Berichterstattung bilden." Nejc Lahne, Geschäftsführer und Leiter von E.ON Energy Infrastructure Solutions Slovenija, war ebenfalls der Meinung, dass ESG-Richtlinien eine Chance bieten, die Gewinner von den Verlierern zu trennen.
Die größten Komplikationen können jedoch bei der Umsetzung der ESG-Richtlinien innerhalb der Unternehmen auftreten, weshalb Pogačnik es für wesentlich hält, zwischen großen, mittleren und kleinen Unternehmen zu unterscheiden. "Einerseits kennen große Unternehmen die Theorie hinter den ESG-Richtlinien, haben aber Schwierigkeiten, sie umzusetzen, während KMUs Probleme mit der Finanzierung und der Gesetzgebung haben." Lorenzo Ramajola betonte die Herausforderungen bei der Implementierung im Bereich der Datenerfassung und die Uneinheitlichkeit der Gesetzgebung in den einzelnen Ländern. Letzteres wurde von Njives Prelog Neffat bekräftigt, die genauso die Berichterstattung als eine der größten Herausforderungen für Unternehmen bezeichnete. Außerdem fügt sie hinzu, "dass die Berichterstattung sehr wichtig ist, denn sie kann einem Unternehmen oder einer Gesellschaft zu einem besseren Rating verhelfen und somit Vorteile bei künftigen Geschäften und Finanzierungen verschaffen."
"Keine ESG ohne Digitalisierung!", sagte Lorenzo Ramajola zum Schluss. "Die Digitalisierung ist ein sehr wichtiger Teil der Umsetzung der ESG-Richtlinien in einem Unternehmen, denn zuerst sammeln wir Daten, dann analysieren wir sie und schließlich nutzen wir die Daten, um die Leistung des Unternehmens zu verbessern. Gleichzeitig ist es auch eine hervorragende Gelegenheit, in neue Technologien und künstliche Intelligenz (KI) zu investieren, die wiederum mit ESG-Richtlinien verknüpft werden können."
Quelle: STA, AHK Slowenien
Fotograf: Marko Delbello Ocepek