Industrie 4.0

Worüber wir uns unterhalten sollten

30.08.2017

Ob auf einer Konferenz mit führenden Managern ihrer Branche oder abends in der Kneipe: Digitalisierung ist ein dankbares Gesprächsthema und sorgt garantiert für angeregte Diskussionen. Doch welche Bedeutung für die Geschäftswelt hat die Digitalisierung tatsächlich? Wer darüber systematische Überlegungen anstellen möchte, muss vier Gesprächsdimensionen berücksichtigen.

Firmen, die mit einer Umwandlung des Geschäftsmodells digitale Technologien für ihren unternehmerischen Vorteil nutzen möchten, müssen eine entsprechende Infrastruktur aufbauen. Gerade bei diesem grundlegenden Schritt entwickeln sich bei den meisten Firmen – und zwar nicht nur in Slowenien – die Dinge in die falsche Richtung. Das verhindert ein erfolgreiches Agieren in den anderen drei Dimensionen, ohne die wiederum kein richtiges Ergebnis erzielt werden kann. Eine Infrastruktur erfordert Investitionen, bringt aber von sich aus keinen direkten geschäftlichen Vorteil. Gewinn entsteht erst, wenn die Infrastruktur entweder zur Optimierung der Geschäftsoperationen genutzt wird (und dadurch in der Regel auch niedrigere Kosten und andere Kundenvorteile erreicht werden) oder um zusätzliche, bessere (mit der digitalen Technologie „veredelte“) Dienstleistungen und Produkte anbieten zu können, zum Beispiel um eine ganz neue Tätigkeit anzukurbeln, was ohne die digitale Technologie nicht möglich wäre.

Die digitale Infrastruktur

In Slowenien wird auf Staatsebene und bei den meisten Firmen die Beschäftigung mit der Infrastruktur als extrem undankbares Unterfangen angesehen. Staatsoberhäupter, Politiker und Manager wissen, dass dafür hohe Investitionen erforderlich sind, dabei aber nicht genug Geldmittel verfügbar sind. Außerdem sind ihnen die Risiken einer falschen Entscheidung sowie die Tatsache bewusst, dass alle Fehler sehr schnell und deutlich ans Licht kommen, während sie bei allem, was funktioniert, keine Lorbeeren ernten. Die Experten, die eigentlich als Einzige in der Lage sein sollten, nüchtern über optimale Lösungen zu urteilen, fachsimpeln in unverständlichem Kauderwelsch und sind absolut nicht vertrauenswürdig, da sie von eigenen Interessen geleitet werden. Obwohl sie es in offiziellen Gesprächen zynisch verneinen, dominiert eine solche Sicht der Dinge auch heute immer noch.

Interessanterweise ist in den Köpfen der Leute die Infrastruktur mit konkreten Mitteln verbunden, wie Eisenbahnverbindungen und Glasfaserkabel. Wenn wir hingegen über die digitale Infrastruktur reden, dann assoziieren die meisten damit Computer, Clouds und Datenbanken. Außer der oben erwähnten Undankbarkeit, die diesem Thema entgegengebracht wird, ist dies noch ein weiterer wichtiger Grund dafür, dass sich vorwiegend IT-Experten und nicht Verwaltungsexperten mit der digitalen Infrastruktur beschäftigen. Obwohl auch in diesem Bereich die Situation in der slowenischen Wirtschaft nicht ganz ideal ist, hat die slowenische Durchschnittsfirma einen relativ soliden Zugang zur digitalen Technologie in ihrer physischen Form bzw. zu den grundlegenden Infrastrukturleistungen, zum Beispiel im Bereich Sicherheit. In Wahrheit umfasst die Infrastruktur aber noch viel mehr Bereiche, von denen einige in der slowenischen Wirtschaft noch keine Glanzleistungen erbringen.

Strategisches Verstehen des digitalen Geschäftsverkehrs

Der erste Punkt, über den sich eine grundlegende Diskussion lohnt, ist ein strategisches Verständnis darüber, welche Rolle der digitale Geschäftsverkehr, einschließlich seiner Schlüsselkomponenten, im Geschäftsmodell der Firma spielt (allen Lesern, die mehr darüber erfahren möchten, empfehle ich das Buch von Osterwalder et al.: „Business Model Generation“, 2010). Überraschend wenige slowenische Firmen haben diese Überzeugung für sich übernommen. Noch geringer ist die Anzahl bei den mittleren oder großen Unternehmen, die versuchen, eine bestimmte Strategie systematisch zu realisieren – dies gilt nicht zuletzt auch für die Gesellschaft als Ganzes. Ein fehlendes Verständnis der notwendigen oder potenziellen Transformation ist gewiss das größte Problem, das die meisten slowenischen Firmen in Zusammenhang mit der Digitalisierung haben. Daher hat eine ausgezeichnete technologische Einschätzung zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Potenzial, sich in eine ausgezeichnete Einschätzung der slowenischen digitalen Wirtschaft umzuwandeln.

Die digitalen Werte

Der nächste Bereich, der auf alle Fälle große Aufmerksamkeit verdient, ist die Frage der „digitalen Werte“ bzw. ethischen Regeln und des Wertesystems. Diese benötigen die Beschäftigten, um sich im Alltag danach richten zu können. Für die sogenannten Millennials ist dieser Bereich noch viel bedeutender, als es die Federführenden in der Regel empfinden: Diese spielen für eine erfolgreiche Entwicklung der digitalen Lösungen eine entscheidende Rolle, reagieren aber gleichzeitig extrem empfindlich, wenn es um die Frage der Fairness und der Ethik geht.

Die Probleme der digitalen Ethik sind häufig extrem anspruchsvoll. Verwendet Uber etwa ein ethisch akzeptables Geschäftsmodell? Die meisten Experten verneinen das einvernehmlich.

Wo sind die Grenzen bei der Verwendung von „Big Data“? Ist ein grober digitaler Eingriff in die Privatsphäre gerechtfertigt, wenn er „Vorteile“ mit sich bringt? Oder führen die sozialen Netzwerke zum Untergang der Demokratie und dürften gesellschaftsbewusste Firmen diese eigentlich gar nicht potenziert verwenden? Wir können uns in den Firmen damit herausreden, dass unsere Aufgabe nicht darin liegt, die Welt zu retten und sich mit Philosophie auseinanderzusetzen. Jedoch ist es ohne eindeutige Antworten auf die brennenden ethischen Fragen in Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell überhaupt nicht möglich, ein Team zu gewinnen, das sich voller Leidenschaft dem digitalen Projekt widmet. Ohne diese kann es demnach keinen Erfolg geben.

Das Fundament sind kleinere, innovative Firmen

Das Hauptproblem bei den anderen Infrastrukturdimensionen, die derzeit in Slowenien die Digitalisierung der Wirtschaft eher behindern als fördern, ist wahrscheinlich der Mangel an entsprechend qualifizierten Fachleuten. Dabei denken wir vor allem an fehlende Kommunikationsfähigkeiten, da die Digitalisierung es erfordert, dass verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten. Das schließt solche mit ein, an die wir in der Regel gar nicht denken, wie zum Beispiel die Anthropologie oder die Semantik. Vereinfacht gesagt: Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein „Techniker“ ein System entwickeln würde, das automatisch auf Kundenbeschwerden reagiert. Außerdem hakt das Ganze bei der finanziellen Infrastruktur (die lokalen Finanzierungsmodelle sind nicht optimal an die Bedürfnisse von digitalen Projekten angepasst und „Kickstarter“-Varianten sind nicht die Lösung für größere Projekte), der Datenzugänglichkeit, den Regelwerken im Allgemeinen und ganz besonders bei der Steuergesetzgebung. Aber dies sind chronische Mängel der Umgebung und keine Besonderheiten, die primär mit der Digitalisierung der Wirtschaft verbunden sind.

Es ist leicht zu verstehen, dass sich die Mängel in der Infrastruktur im Allgemeinen negativ darauf auswirken, neue digitale Geschäftsmodelle zu schaffen, jedoch stellen sie ein viel größeres Problem für mittlere und große Firmen dar. Unternehmer, vor allem Start-ups, lösen oft sehr kreativ die Probleme mangelhafter Infrastruktur, vom Umzug in ein anderes Umfeld bis zum Wirken in der „Grauzone“ im Falle von Vorschriften. Die strategischen und ethischen Fragen tragen mittelfristig zwar zum Scheitern solcher Unternehmen bei, aber aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer Flexibilität tritt dieser Effekt nicht schlagartig ein. Daher ist auch das Segment der kleineren, innovativen Firmen im Vergleich eines der stärksten in der slowenischen Wirtschaft.

Größere Firmen, die zumindest bis zu einem gewissen Grad die Hindernisse einer ungenügenden Infrastruktur überbrücken, beschäftigen sich in Slowenien derzeit vor allem mit der Entwicklung von digitalen Marketing- und Verkaufswegen. Obwohl dies noch bei Weitem nicht das Potenzial von neuen Geschäftsmodellen ausschöpft, ist das auch im globalen Maßstab keine Ausnahme. Nach den neuesten Schätzungen sind rund 80 Prozent der Digitalisierungsprojekte weltweit auf diesen Bereich ausgerichtet. Wenn die derzeitige Entwicklungsstufe erreicht wird, ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren auch in Slowenien immer mehr Projekte auftauchen, die sich auf anspruchsvollere Ziele ausrichten. Das sind zum Beispiel die sinnvolle Nutzung von großen Datenmengen, um verantwortungsvoll einen Mehrwert für die Kunden zu schaffen, die Entwicklung von neuen Produktkombinationen und Dienstleistungen in Anlehnung an die digitale Technologie sowie die Ökosysteme der Firmen, die gemeinsam vollkommen neue Lösungen für noch unbekannte Kundenbedürfnisse entwickeln. Als Motivation ist gut zu wissen, dass einige slowenische Firmen bereits auf diesem Weg sind: mit präzisen digitalen Strategien, klaren Aktionsplänen sowie ausreichenden Mitteln für ihre Realisierung.