Industrie 4.0

Eine Beziehung mit Zukunft

07.11.2017

Slowenien und Bayern wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen vertiefen. Für Horst Seehofer steht hierbei neben dem Handel die digitale Wirtschaft im Fokus. Der Bayerische Ministerpräsident im unseren Magazin Ambition darüber, was die Länder voneinander lernen können, wo Potentiale stecken und was Slowenen und Bayern über die Wirtschaft hinaus verbinden.

AMBITION: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, was ist Ihnen von Ihrem ersten offiziellen Slowenienbesuch am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben?

HORST SEEHOFER: Als erstes möchte ich die herzliche Atmosphäre und Gastfreundschaft nennen, mit der ich und meine Delegation bei unserem Besuch in Ljubljana willkommen geheißen wurden. Nachhaltig beeindruckt haben mich aber auch die Dynamik Sloweniens beim Aufbau seiner digitalen Infrastruktur und die innovativen Ansätze bei der Lösung städtischer Verkehrsprobleme. In Ljubljana sind Mobilität und Luftreinhaltung keine unvereinbaren Gegensätze. Das ist ganz aktuell für uns in Bayern und Deutschland von großem Interesse.

AMBITION: Herr Ministerpräsident, Sie und Präsident Borut Pahor sind sich einig, die bestehende partnerschaftliche Zusammenarbeit in Wirtschaft und Politik ausbauen zu wollen. Wie soll dies erreicht werden?

HORST SEEHOFER: Politik lebt nicht zuletzt von der Begegnung. Deshalb wollen Staatspräsident Borut Pahor und ich zusammen mit den Mitgliedern unserer Regierungen diesen Dialog intensiv fortführen. Unsere seit 1975 bestehende Bayerisch-Slowenische Regierungskommission ist eine bestens eingespielte Plattform zur Entwicklung gemeinsamer Projekte.

AMBITION: Das Handelsvolumen zwischen dem Freistaat und Slowenien wächst derzeit um fast zehn Prozent. Wie wird es sich Ihrer Meinung nach weiterentwickeln? Welche Branchen haben Sie besonders im Blick?

HORST SEEHOFER: Ich gehe davon aus, dass sich unsere Handelsbeziehungen künftig noch weiter intensivieren werden. Das gegenseitige Interesse ist groß, das habe ich bei meinen Gesprächen immer wieder festgestellt. Die Digitalisierung der Wirtschaft und Industrie 4.0 sind wichtige Zukunftsthemen, bei denen Bayern und Slowenien von einer Zusammenarbeit profitieren können. Unsere bayerischen Unternehmen verfügen zudem über eine hohe Expertise auf Gebieten, bei denen in Slowenien Bedarf besteht, so etwa bei modernen, energieeffizienten Ausrüstungen und Automatisierungslösungen.

AMBITION: Welche Faktoren in Slowenien stützen Ihren optimistischen Ausblick?

HORST SEEHOFER: Die slowenische Wirtschaft wächst überdurchschnittlich stark. Die Exportwirtschaft profitiert vor allem von der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit auf Auslandsmärkten, auch in Bayern. Mit der steigenden Beschäftigung in Slowenien nehmen der private Verbrauch und die Nachfrage nach Importen zu. Davon kann auch Bayern profitieren.

AMBITION: Slowenien wird die kommenden Jahre massiv in den Infrastrukturausbau investieren. Was erhofft sich Bayern vom Ausbau des Hafens Koper?

HORST SEEHOFER: Die bayerische Wirtschaft braucht leistungsfähige Verkehrsanbindungen zu den internationalen Märkten, insbesondere nach Asien. Die Mittelmeerhäfen bieten gerade dafür ökonomische und ökologische Vorteile, die wir künftig stärker nutzen wollen. Transporte aus Fernost sind über Nordhäfen wie Hamburg rund fünf Tage länger auf See als über die Nordadriahäfen. Deshalb ist eine gute Anbindung an die nordadriatischen Häfen wie Koper und Triest schon lange ein Ziel unserer Verkehrspolitik.

AMBITION: Beide Länder haben sich das Thema Digitalisierung und Arbeiten 4.0. auf die Fahnen geschrieben. Was kann Slowenien von Bayern, was Bayern von Slowenien lernen?

HORST SEEHOFER: Slowenien ist beim Breitbandausbau besser aufgestellt. Auch beim Thema Mobilität geht Slowenien innovative Wege. Umgekehrt ist das System der dualen Berufsausbildung weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt und gilt weltweit als „best practice“ bei der Ausbildung junger Menschen. Es sichert die Grundlage für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft gerade auch auf dem Weg hin zu einer Arbeitswelt 4.0.

AMBITION: Herr Ministerpräsident, welche Initiativen angesichts der Herausforderungen von Unternehmen durch die Digitalisierung haben sich in Bayern besonders bewährt?

HORST SEEHOFER: An erster Stelle zu nennen ist unser Zentrum Digitalisierung.Bayern (ZD.B). Damit haben wir eine einzigartige Plattform für die Kooperation zwischen Unternehmen und Wissenschaft geschaffen. Dort werden viele Bereiche der Digitalisierung bearbeitet: von vernetzter Mobilität und Digitaler Produktion über Digitalisierung in der Medizin und im Energiebereich bis hin zu Cybersicherheit sowie Digitalisierung in Bildung, Wissenschaft und Kultur. Im Zuge des „Masterplans BAYERN DIGITAL II“ bauen wir das ZD.B weiter aus. Wichtig ist auch das Thema Existenzgründungen. Darum richten wir in allen Landesteilen Gründerzentren im Bereich Digitalisierung ein. Sehr erfolgreich ist unser Förderprogramm „Digitalbonus“, mit dem wir speziell kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung auf neue digitale Systeme und Geschäftsmodelle oder bei der Verbesserung ihrer IT-Sicherheit unterstützen.

AMBITION: Wie geht der Freistaat speziell das Thema Handwerk 4.0. an?

HORST SEEHOFER: Im Rahmen unseres Masterplans „BAYERN.DIGITAL“ haben wir auch den Ausbau des Förderprogramms „Handwerk.Digital“ beschlossen. Damit unterstützen wir die bayerischen Handwerksorganisationen darin, digitale Schlüsselanwendungen zur Anwendungs- und Marktreife zu bringen. Im Rahmen von Pilotprojekten erfolgt eine Markterprobung der Anwendung, die den Handwerksunternehmen dann als konkrete „Best Practice Beispiele“ zur Verfügung stehen.

AMBITION: Slowenien ist ein sehr kleines Land. Kann dies auch Vorteile bei neuen Themen wie der Digitalisierung bringen?

HORST SEEHOFER: Slowenien hat die Digitalisierung und den Breitbandausbau in kurzer Zeit weit vorangebracht. Es hat damit gezeigt, dass gerade ein kleines Land mit dem Mut zu innovativen Weichenstellungen schnell zu Erfolgen kommen und Vorbild für andere Länder sein kann.

AMBITION: Wie kann der Erfahrungsaustausch zwischen Bayern und Slowenien zukünftig gefördert werden?

HORST SEEHOFER: Es gibt vielfältige Anknüpfungspunkte für Austausch und Kooperation. Dazu zählen die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt, Verwaltung, Justiz und Polizei, aber auch die Landwirtschaft. So sieht Bayern aufgrund vergleichbarer agrarpolitischer Ziele wie der Stärkung bäuerlicher Familienbetriebe Slowenien als strategischen Partner unter den EU-Mitgliedstaaten. Auch die langjährige Partnerschaft zwischen der Handwerkskammer für München und Oberbayern und der Handwerkskammer in Slowenien soll fortgeführt werden.

AMBITION: Herr Ministerpräsident, was verbinden Bayern und Slowenien außerhalb der Wirtschaftsbeziehungen?

HORST SEEHOFER: Bayern hat traditionell enge Regierungsbeziehungen mit Slowenien, bereits seit den 1970er Jahren. Gemeinsam arbeiten wir im Rahmen der Europäischen Strategien für den Alpenraum und den Donauraum eng zusammen. Vor allem aber verbinden uns die Menschen. Rund 8.600 Slowenen haben in Bayern eine neue Heimat gefunden, gerade auch im Raum Ingolstadt, meiner Heimatregion. Bereits seit 1979 hat Ingolstadt eine lebendige Städtepartnerschaft mit Murska Sobota.

HORST SEEHOFER

Der CSU-Vorsitzende ist seit 2008 bayerischer Ministerpräsident. Mit einem BIP-Wachstum von rund 22 Prozent ist Bayern das am stärksten wachsenden deutsche Bundesland. Bei der Landtagswahl im Oktober 2018 will sich Seehofer um eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident bewerben.

WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN

Das bayerisch-slowenische Handelsvolumen erreichte zuletzt einen Höchststand von 1,76 Mrd. Euro. Die Zusammenarbeit betrifft besonders die Kfz-Industrie, Automatisierungslösungen sowie den Maschinen- und Anlagenbau. 

ANNE-KATHRIN VELTEN