Ambition

Mehr Mut zu Innovation

09.01.2018

Deutschland hat beim Ausbau der Infrastruktur und der Digitalisierung geschlafen. Die Folgen bekommt vor allem die ansonsten hochgelobte deutsche Logistikindustrie zu spüren. Der Branchenexperte Peter Voß über den aktuellen Stand in Deutschland und die Marktchancen für deutsche Unternehmen bei slowenischen Infrastrukturprojekten.

AMBITION: Selbstfahrende Lkw, Drohnen oder 3-D-Druck – Beispiele, die für die Revolution in der Logistikindustrie stehen. Welche Innovationen der vergangenen Jahre haben die Branche am nachhaltigsten verändert?

PETER VOß: Nach wie vor ist der anhaltende Prozess der Digitalisierung der wichtigste Innovationsschritt. Er ist zudem die Basistechnologie für andere Innovationsfelder. Neben den genannten gehören dazu Technologien wie das mobile Internet, Business-Apps, Robotik, Big Data, Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Blockchain oder Mensch-Maschine-Interaktionen.

AMBITION: Wie wird die Digitalisierung die Rolle der Logistikunternehmen verändern und wie wandelbar ist die Branche derzeit?

PETER VOß: Alle Geschäftsmodelle, die nicht digital sind, werden verschwinden. Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Produzierendes Gewerbe, Logistik und Endkunde werden zu einer Wertschöpfungseinheit verschmelzen, die über digitale Plattformen miteinander kommuniziert. Logistiker werden im Zeitalter des 3-D-Drucks in gewissem Umfang zu Herstellern. Viele Unternehmen treiben diese Innovationen bereits selbst voran. Andere reagieren flexibel auf Trends oder meinen immer noch, mit dem, was bisher funktioniert hat, weiterhin bestehen zu können. Vielen fehlt es an Mut, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Wir müssen schneller werden. Das hohe Ansehen der deutschen Logistik ist keineswegs auf Dauer garantiert.

AMBITION: Wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, um aktuelle Wachstumschancen nutzen zu können?

PETER VOß: Vor allem ist ein auf Innovation getrimmtes Denken gefragt. Die Unternehmen müssen ihre Fixierung auf Assets aufgeben und in den Kategorien der Digitalisierung denken. Dazu muss die Bereitschaft vorhanden sein, neue Technologien einzusetzen und sich gegebenenfalls auch organisatorisch zu bewegen – beispielsweise die Vorteile von Kooperationen mit anderen Unternehmen wahrzunehmen.

AMBITION: Welche Priorität sollten Logistiker demnach setzen?

PETER VOß: Die Orientierung an den Kundenwünschen und -bedürfnissen muss Priorität haben – und zwar im Denken, in der Organisation und hinsichtlich der technologischen Ausrüstung. Innovation auf allen Ebenen ist das Wichtigste. Hier besteht Nachholbedarf. Durch das typisch deutsche ängstliche Verharren auf dem Bestehenden haben wir die erste Runde der Digitalisierung verschlafen, obwohl die Entwicklung hin zu digitalen Plattformen, Apps & Co. lange absehbar war.

AMBITION: Wie finden Logistikunternehmen in Zeiten von demografischem Wandel geeignete Mitarbeiter, die mit den ständigen Veränderungen in der Branche Schritt halten können?

PETER VOß: Unabhängig von der Demografie müssen die Logistikunternehmen die Mitarbeiter einfach besser bezahlen. Kurzfristig können gut ausgebildete Flüchtlinge eine Lücke schließen. Langfristig werden die zunehmende Automatisierung, der Einsatz von Robotern und Drohnen, selbstfahrende Fahrzeuge, lernende Maschinen usw. viele Positionen im Lager oder Lkw-Führerhaus überflüssig machen und zu einem rückläufigen Bedarf an entsprechenden Kräften führen.

AMBITION: Welche Ansätze sehen Sie, das herausfordernde Thema Pricing in den Griff zu bekommen?

PETER VOß: Eines muss ganz klar gesagt werden: Logistikleistungen werden einfach nicht adäquat bezahlt. Logistik kann nicht billig sein, zumal nicht in einer Zeit, in der ständig neue Ansprüche gestellt werden: immer neue Umweltauflagen, die Implementierung neuer Technologien, individuellere Kundenwünsche und komplexere Lieferoptionen. Die Logistik muss höhere Vergütungen durchsetzen und sie muss mehr Mumm gegenüber den Handelsunternehmen entwickeln.

AMBITION: Welchen Impuls erwarten Sie von einer neuen Bundesregierung für die Logistikbranche?

PETER VOß: In manchen Bereichen wäre der beste Impuls, dem Markt mehr Chancen zu geben. Auf einigen Gebieten sollte die Regierung aber die Rahmenbedingungen aktiv verbessern. Das gilt vor allem für die Modernisierung der Infrastruktur, wo wir in Deutschland jahrelang geschlafen haben. Entscheidender scheint mir aber, dass sich die Politik mit immer neuen Vorschriften auf nationaler wie europäischer Ebene zurückhält. Durch den Wirrwarr an Bürokratie haben wir es immer noch nicht geschafft, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Die Bahn, die Investitionen braucht, fällt bei den Marktanteilen gegenüber der Straße zurück. Ganz oft handeln wir da nach unseren nationalen Selbstverliebtheiten ohne Rücksicht auf Märkte und Nachbarn.

AMBITION: Slowenien will die entscheidende Logistikdrehscheibe für Mitteleuropa werden. Hat das Land dafür die richtigen Akzente gesetzt?

PETER VOß: Slowenien hat seine Chancen erkannt. Die Investitionen in die Infrastruktur haben Erfolg: Das Straßennetz ist sehr gut ausgebaut, Schienen- und Luftverkehr wachsen – und vor allem der Ausbau des Hafens Koper bringt ein hohes Wachstumspotenzial.

AMBITION: Wo sehen Sie die größten Baustellen? Wo die besten Ergebnisse?

PETER VOß: Wo es nach wie vor hapert, ist bei der Geschwindigkeit der Umsetzung von Investitionsprojekten. Die besten Ergebnisse liegen mit Sicherheit beim Ausbau des Seehafens Koper. Aber hier zeigt sich die Langsamkeit. So führt immer noch nur eine eingleisige Bahnstrecke vom Hafen ins Inland, obwohl der zweigleisige Ausbau beschlossen ist. Eine weitere Baustelle sehe ich in der zu zögerlichen Bereitstellung von Logistikflächen an Orten, an denen diese gebraucht werden. Allgemein gibt es noch zu viele Staatsbeteiligungen. Die großen Chancen, die die Logistik dem Land bietet, werden nicht beherzt genug angegangen. Dabei stellt die Industrie den gut ausgebildeten Slowenen zahlreiche Arbeitsplätze zur Verfügung.

AMBITION: Welche Chancen bieten sich deutschen Unternehmen insbesondere durch Großprojekte?

PETER VOß: Prinzipiell gibt es hervorragende Chancen, sich an den anstehenden Projekten zu beteiligen. Slowenien hat gut ausgebildete Fachkräfte. Es bestehen beste Kontakte zwischen deutschen und slowenischen Unternehmen – und auch die kulturelle Nähe bildet eine gute Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit. Ich wünsche mir allerdings, dass sich Slowenien noch mehr öffnet, sich attraktiver für private Investitionen macht und den staatlichen Einfluss zurückdrängt. Dann dürfte es deutschen Unternehmen leichter fallen, sich an großen Projekten zu beteiligen.