Ambition

Interview mit Matej Čer: Unser Handeln braucht Bedeutung

10.07.2018

Eigentlich kommt Matej Čer aus der traditionellen Autovermietung. Doch 2016 hat er in Ljubljana mit Avant2Go ein innovatives Carsharing-Konzept ausschließlich mit Elektroautos eingeführt. Sein Ziel: eine nachhaltigere Welt – und sein Weg dorthin führt über finanziell attraktive Alternativen zum eigenen Auto.

AMBITION: Ihre persönliche Definition für Mobilität?

MATEJ ČER: Mobilität ist die Fähigkeit, das zu erreichen, wonach wir suchen. Mobilität muss heute keine Bewegung im physischen Sinne mehr sein, denn mittlerweile können Sie überall auf der Welt mit allen kommunizieren. Gestern war das Auto ein technisches Gut, um von A nach B zu kommen, um an Informationen oder Waren zu kommen oder Leute zu treffen. Dafür benötigen wir in Zukunft immer weniger Autos, denn die Mobilität der Zukunft wird eine Kombination von Bedürfnissen aus der Vergangenheit und intelligenter Technologie von morgen sein.

AMBITION: Was ist dabei der Hauptantrieb?

MATEJ ČER: Am Ende steht immer die Kalkulation. Veränderungen beruhen auf Einsparungen, und die werden durch neue Technologien, Plattformen und Digitalisierung ermöglicht. Ein Auto kostet monatlich mehrere Hundert Euro – Kosten, die durch Carsharing drastisch gesenkt werden. Wenn Sie Mobilität unterhaltsamer, geselliger, schneller und mit moderner Technologie anbieten, ist das großartig. Aber der Hauptantrieb ist und bleibt: Geld sparen!

AMBITION: Wie gewichtig sind Umweltargumente?

MATEJ ČER: Es gibt sehr wenige Menschen, die konsequent genug sind, diesem Ansatz zu folgen. Ökologische Gründe sind für Regierungen entscheidend, um neue Regelungen zu schaffen. Einzelpersonen werden dagegen von finanziellen Gründen getrieben. Wir müssen ihnen erklären, dass die Nutzung ihres nach dem Zuhause zweitteuersten und wertvollsten Vermögenswerts sehr gering ist. Die liegt gerade mal bei fünf Prozent, der Rest ist Geld, das aus dem Fenster geworfen wird. Wir als Unternehmen wollen vor allem bedeutsam handeln und einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Aber wenn wir überleben wollen, müssen wir das in ein Geschäftsmodell umsetzen.

AMBITION: Welchen Anteil an E-Autos erwarten Sie in Zukunft?

MATEJ ČER: In Norwegen sind 50 Prozent der neu gekauften Autos elektrisch. Können wir das in drei Jahren bewältigen, angesichts der Tatsache, dass Slowenien deutlich kleiner ist? Es ist möglich, aber wir müssen unsere Denkweise ändern! Ich glaube, bis Ende 2020 werden 50 Prozent der neuen Autos elektrisch sein. Bis 2025 wird die Mehrheit ein Elektroauto kaufen und nach 2030 werden wir kaum noch ein Benzin- oder Dieselauto sehen.

AMBITION: Wie haben Sie Ihr Geschäftsmodell entwickelt?

MATEJ ČER: Es ist wichtig, eine Mission zu haben, die leicht zu verstehen ist. Das Ergebnis der Mission ist die Vision. Unsere Vision ist, dass die Welt, beginnend mit Slowenien, in Bezug auf Mobilität autark wird. Wir haben kein Öl, darum bedeutet autark, dass Autos einen Elektromotor haben müssen. Wir wissen, wie man Strom produziert und brauchen dafür ausreichend Energie aus Wasser, Sonne, Wind und Biomasse. Aber am wichtigsten ist die Denkweise – dann kommen Dienstleistungen, Einsparungen und Investitionen. Zwischen der aktuellen Situation und der idealen Lösung steht die Transformation. Die wollen wir als Unternehmen beschleunigen.

AMBITION: Wie überzeugen Sie potentielle Kunden?

MATEJ ČER: Wir müssen ihnen Geschäftsmodelle geben, durch die sie sich schnell, intelligent und kostengünstig fortbewegen können. Bei Elektroautos dreht sich alles um Nutzererfahrung. Niemand kauft ein Elektroauto, nur um es auszuprobieren. Aber wenn eine Person für längere Zeit einen risikofreien Zugang zu Elektroautos hat, wird sie eher in Erwägung ziehen, eines zu kaufen.

AMBITION: Was bedeutet das konkret?

MATEJ ČER: Unser Werkzeug ist Bildung. Wir haben in den letzten zwei Jahren mehr als 300 Vorträge gehalten, in denen wir über die Zukunft der Welt und Technologien gesprochen haben und wie sich diese auf unser Leben und unsere Mobilität auswirken. So versuchen wir, Denkweisen zu verändern und Botschafter zu generieren, die dieser positiven Transformation ihren eigenen Wert hinzufügen wollen. Vor allem müssen die Menschen aber die neuen Chancen verstehen.

AMBITION: Ist dieser Ansatz für alle Geschäftskunden gleich?

MATEJ ČER: Wir bedienen alle Kundengruppen: Einzelpersonen, Unternehmen, Kommunen und Behörden. Vier Ministerien nutzen bereits täglich Elektroautos, um in der Stadt zu pendeln oder zum Flughafen zu fahren! Das Geschäftssegment wächst stärker als das Privatkundengeschäft und Sharing-Modelle gehen klar in Richtung Unternehmen. Für die ersten Nutzererfahrungen ist aber die breite Öffentlichkeit entscheidend.

AMBITION: Wie verändern sie die Denkweisen von Unternehmen?

MATEJ ČER: In der Vergangenheit standen die Firmenparkplätze voll mit Autos, die niemand benutzt hat. Angestellte kamen mit dem eigenen Auto und fuhren tagsüber den Firmenwagen. Würde ein Unternehmen nur fünf Prozent seiner Produktivität nutzen, könnte es nicht überleben! Wir als Gesellschaft verursachen durch Autos und Parken einen riesigen Verlust. Doch dieser Verlust kann durch Carsharing reduziert werden, weil wir das Asset viel intelligenter nutzen können.

AMBITION: Was müssen wir also machen?

MATEJ ČER: Wir benötigen vor allem eine gute Strategie, wie wir die Wirtschaft im Gleichgewicht halten und uns gleichzeitig in Richtung intelligente und saubere Mobilität bewegen. Wir sollten beginnen, die Anzahl alter Autos zu senken, die im Schnitt 300 Euro im Monat kosten. Wenn Menschen alternative Modelle wie Carsharing nutzen, haben sie immer noch die Möglichkeit zu reisen, während sie gleichzeitig neue Autos nutzen. Wenn wir teilen, benötigen wir nur zehn Prozent der Autos! Die Industrie muss das antizipieren und ihre Produktion anpassen.

AMBITION: Welche Rollen spielen andere Dienstleister?

MATEJ ČER: Avant2Go ist nur ein kleiner Baustein auf dem Weg zu intelligenter Mobilität. Menschen existieren, um zusammenzuarbeiten. Natürlich gibt es Dienste, die wir selbst anbieten werden. Wenn wir aber sehen, dass es auf dem Markt bereits etwas Passendes gibt, wollen wir kooperieren. Unsere ganze Mission wie auch unsere Vision ist auf Benutzererfahrung ausgerichtet. Jeder Dienstanbieter muss mental und technisch bereit sein, Daten gemeinsam zu nutzen! Wenn ein Unternehmen überleben will, muss es bereit sein, für noch bessere Dienstleistungen zu teilen und sich zu vernetzen.

AMBITION: Inwieweit würden Sie Ljubljana als Smart City bezeichnen?

MATEJ ČER: In einer Smart City agieren und kommunizieren Marktteilnehmer in Echtzeit. Wir haben einige Unternehmen, einschließlich unserer Firma, die solche Systeme entwickeln, um entscheidende Sensoren zu verbinden. Unsere öffentlichen Verkehrsmittel sind gut verbunden, ebenso Parkplätze, Wetterinformationen, Messungen für Wasser-, Gas- und Stromverbrauch. Eine intelligente Stadt ist wie ein Lebewesen. Es liefert Energie, benötigt Sauerstoff und produziert Abfälle. Im Inneren müssen wir die Ressourcen wie Nahrung, Energie, Wasser und Mobilität verwalten. Ljubljana ist auf einem guten Weg, in ein oder zwei Jahren eine wirklich intelligente Stadt zu werden.

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