Industrie 4.0

Die Smart Factory - Wie schlau kann eine Fabrik sein?

30.08.2017

Digitale Transformation, Industrie 4.0, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und jetzt müssen auch noch Fabriken schlau, also "smart", werden. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass alles, was sich über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg bewährt hat, veraltet und dumm ist. Insbesondere Produktionsstätten und Fabriken. Ist das wirklich so? Und was kann überhaupt schlauer werden in und an einer Fabrik? Eine Analyse aus unternehmerischer Ingenieurssicht.

Die Jugend jubelt, das Establishment ist verunsichert: Alles muss erneuert werden, sofort! Wer seinen Produktionsbetrieb nicht umgehend digitalisiert, automatisiert und mit neuester Sensor- und Energietechnik ausstattet, ist dem Untergang geweiht. Die Gigafactory muss her! So pfeifen es die Spatzen und Elon Musk vom Dach.

Nun hat aber nicht unbedingt jedes Unternehmen die geschätzten fünf Milliarden Dollar zur Umsetzung eines Gigafactory-Projekts in der Portokasse - von Apple einmal abgesehen. Was können Unternehmen also tun, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder sogar auszubauen und das zu einem tragfähigen Budget? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu verstehen, was die intelligente Fabrik der Zukunft, also die Smart Factory, eigentlich ausmacht und warum sie gebraucht wird.

Der Mehrwert der Smart Factory

Die Smart Factory erfüllt, wie alle neuen Technologien, keinen Selbstzweck. Auch wenn die meisten Technologieverfechter das nicht gerne hören: Jede eingesetzte Technologie muss einem unternehmerischen Zweck dienen und einen Mehrwert gegenüber den möglichen Alternativen bieten. Alle erfolgreichen Unternehmer handeln nach dieser einfachen Prämisse. Was genau ist also der vermeintliche Mehrwert einer Smart Factory gegenüber den etablierten Produktionssystemen? Hier die zunächst sehr simpel klingende Antwort: Die Smart Factory kann individuelle Produkte in höchster Qualität zum Preis einer Serienproduktion fertigen. Wem das nicht disruptiv genug erscheint, dem sei mit einem Perspektivwechsel geholfen: Die Smart Factory wird es Verbrauchern ermöglichen, eigens auf sie zugeschnittene Produkte zu Supermarktkonditionen zu beziehen. Das neue Auto zum Händlerpreis mit individualisierten Kotflügeln und ergonomisch an den Käufer angepasster Sitzschale, bestellt und ausgeliefert in 10 Werktagen. Die neue Esszimmergarnitur aus dem Onlinekatalog, farblich abgestimmt auf den Fußboden und mit individuellen Sitzhöhen für die Familienmitglieder, heute bestellt und übermorgen geliefert. Anhand dieser Beispiele wird klar, welch einschneidender Umbruch sowohl den Konsumenten als auch den Herstellern bevorsteht. Als Folge müssen Serienfertiger ihre Produktionsstraßen regelmäßig umbauen, vielzählige Umrüstungen vornehmen und Teile mit wechselnden Geometrien zusammensetzen, zu gleichbleibenden Preisen versteht sich. Einzelfertigungsbetriebe hingegen müssen ihre Auslieferungszeiten drastisch reduzieren und gleichzeitig die Fertigungskosten mehr als halbieren. Diese Anforderungen mögen zum jetzigen Zeitpunkt etwas überzogen wirken, es wird aber lediglich eine Frage der Zeit sein bis diese Vision in der Breite Realität wird. Doch wie soll das alles möglich werden?

Was die Smart Factory schlau macht

Die Zauberformel heißt Flexibilisierung und Effizienzsteigerung durch Digitaltechnologie. Der gezielte Einsatz moderner Digitaltechnologie wird zu einem nicht für möglich gehaltenen Anstieg an Flexibilität und Produktionseffizienz führen. Das wird Serienfertigern ermöglichen, ihre Fertigungseinheiten blitzschnell auf sich fortlaufend ändernde Produktionsvorgaben einzustellen und Einzelfertiger in die Lage versetzen, deutlich schneller und kostengünstiger zu produzieren. Hier die drei grundlegenden Eigenschaften der Smart Factory, die unmittelbar zur erforderlichen Steigerung beitragen: Die intelligente Fabrik der Zukunft arbeitet virtualisiert, modularisiert und selbstorganisierend. Das bringt ein gewaltiges Maß an Technologie und Neuerungen mit sich. Zur Virtualisierung der Fabrik werden neuartige Sensorsysteme an Material, Mensch und Maschine angebracht. Die Sensoren integrieren sich per Drahtloskommunikation mit dem IT-System und somit mit allen digital vorliegenden Informationen. Alle logischen und physikalischen Effekte, von der Kundenbestellung über den Fertigungsablauf bis hin zur Warenauslieferung, werden als digitale Datenpunkte abgebildet. Gemeinsam erzeugen sie ein präzises digitales Abbild der Fabrik und aller darin stattfindenden Aktionen, die sogenannte virtuelle Fabrik bzw. den digitalen Zwilling. Die eigentliche Revolution gegenüber dem physikalischen Original liegt in einem entscheidenden Punkt: Im digitalen Abbild herrscht ein örtlich und zeitlich vollständig durchlässiger Informationsfluss. Anders ausgedrückt: Jeder (Mensch, Maschine, Material) weiß, was alle anderen tun, getan haben und voraussichtlich als Nächstes tun werden, zu jedem Zeitpunkt und in Echtzeit. Wenn dieses allumfassende Wissen zur Planung, Analyse und dynamischen Optimierung der Fabrikprozesse ausgeschöpft wird und sich die entsprechenden Folgerungen unmittelbar in die physikalische Welt zurück übersetzen lassen, wird ein Großteil der erforderlichen Effizienzsteigerung bereits erzielt sein. Die Flexibilität steigt in der Smart Factory durch Modularisierung. Das Sinnbild ist die modulare Produktionsstraße, in der Komponenten dynamisch für den nächsten Produktionslauf ersetzt werden. Die virtuelle Fabrik weiß bereits, was als Nächstes ansteht und weist den Austausch automatisch an. Werkzeuge werden von Robotern eingesetzt und komplette Maschinen werden fertig gerüstet in die Straße eingeschoben. Die Anmeldung erfolgt über eine Digitalschnittstelle, alle übrigen Maschinen adaptieren ihre Einstellungen und wechseln auf das neue Fertigungsprogramm. Unmittelbar nach Virtualisierung und Automatisierung greift die Selbstorganisation: Alle Aufgaben der Smart Factory - ausgelöst durch Kundenbestellungen, Materiallieferungen, etc. - werden auf dem Digitalweg hierarchisch zur zuständigen Ausführungseinheit delegiert. Die digital angebundenen Ressourcen der Ausführungseinheit entscheiden dann im Verbund eigenständig, was von welcher Ressource wann zu erledigen ist. Die dezentralen Entscheidungseinheiten können lokale Nachoptimierungen vornehmen und die letzten Prozente des Steigerungspotenzials heben.

Macht ein Investment wirklich Sinn?

Die einfache Antwort: Ja! Das menschliche Bedürfnis nach Individualität wird zur Triebfeder der Smart Factory und keiner wird sich dem entziehen können. Es liegt an jedem Unternehmen selbst, das richtige Maß an Erneuerung zu finden, die richtigen Komponenten auszuwählen und diese in einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammen mit den Menschen im Unternehmen zu etablieren.